Waldsteinhauer
Ein Nachruf auf ein ausgestorbenes Handwerk
Es mag wohl hundert Jahre her sein, als man noch in den östlichen Waldgebieten der Oberpfalz den hellen, rhythmischen Eisenklang von Hammer und Meißel hören konnte. Der Waldsteinhauer war es, der sich an einem der mächtigen Granitblöcke zu schaffen machte, um ihn zu Pflastersteinen, Tür- und Fensterstöcken zu zerlegen. Selten wog ein Steinblock, den man wegen seiner meist rundlichen Form als Wollsack bezeichnet, weniger als eine Tonne.
Kaum einer kann sich heute noch eine Vorstellung darüber machen, wie es ein Mann alleine schaffen konnte, einen mehr als zehn Tonnen schweren Steinblock zu spalten. Dass dazu seine eigene Muskelkraft nicht ausreichen konnte, ist leicht verständlich - also musste er ein Hilfsmittel gebrauchen. Eine Anwendung von Dynamit oder Schiesspulver kam nicht in Frage. Das wäre für einen armen Steinhauer viel zu teuer gewesen. Stattdessen bediente er sich einer sehr alten Methode, bei der er die Kraft der Natur einsetzte. Er meißelte in den Granitblock in einer geraden Linie- in Abständen von ca. 10 Zentimeter- keilförmige Vertiefungen, die so bemessen waren, dass ein etwa 8 Zentimeter breiter Eichenholzkeil streng hinein passte.
Die vorher gut getrockneten Holzkeile wurden in die ausgemeißelten Steinschlitze geschlagen und jeweils mit einem faustgroßen, nassen Hanfknäuel abgedeckt. Die Feuchtigkeit ließ die Holzkeile so anschwellen, dass deren Ausdehnungskraft ausreichte, um den Steinblock innerhalb weniger Stunden in zwei Teile zu sprengen.
Im Steinwald am Teufelstein bei Napfberg und im Regental bei Kreuth sind derartige Bearbeitungsspuren noch anzutreffen.
Das Leben eines Waldsteinhauers war hart und entbehrungsreich. Zu Reichtum ist keiner gekommen, karge Ernährung war die Regel. So kann man es aus einem 28 Strophen umfassenden Steinhauerlied herauslesen, das der bekannte Kunstmaler und Heimatforscher Georg Dorrer aus Neunburg vorm Wald in der Jahreszeitschrift „Die Oberpfalz“ 1922 aufschrieb.
Wenn man dem Liedertext Glauben schenken kann, so haben die Waldsteinhauer, trotz ihrer harten Arbeit und ihrer Armut ein zufriedenes Leben geführt. Von der Freiheit im Wald und dem Leben mit der Natur berichtet der Liedtext:I`bi a Stoihauer
I´mouß mi hart plog´n
I´mouß meine Nick´l
Vom Stoi obaschlog´n von einem, der alle Vögel und jeden Wildsteig kennt, der auch manchmal von der „Gschraften“ (Geschraubte: eine in zwei Teile zerlegbare Flinte, um sie besser verstecken zu können) Gebrauch machte, um den eintönigen Speiseplan aufzubessern. Trübsinnigkeit hat der Waldsteinhauer scheinbar nicht gekannt, auch wenn er seinen Lohn, - seine Nick´l, wie er sie nannte – hart erarbeiten musste, wie es in der letzten Strophe des Liedes in Oberpfälzer Mundart heißt.
So sangen die Waldsteinhauer in der Geselligkeit eines Gasthauses oder auf einer Kirchweih ihre Lieder, Texte, die von ihrem Leben erzählten. Es waren Reime, die nur in ihren Köpfen existierten. Sie wären für die Nachwelt in Vergessenheit geraten, hätte sie ein Georg Dorrer nicht aufgeschrieben.
Text: Horst Meinelt