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Venediger

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Als es noch keinen Fernseher und kein Internet gab, war es früher in ländlichen Regionen noch der Brauch, dass man sich in den Wintermonaten zu abendlichen Stunden in der warmen Stube zusammensetzte, um sich allerlei Geschichten und Sagen aus der Umgebung zu erzählen. Nicht selten waren es Geschichten von Gold- und Silberschätzen, die in besonderen Felshügeln verborgen lägen. Von geheimnisvollen unterirdischen Gängen, die zu diesen Schätzen führen, war die Rede. Dabei wird in diesen Sagen und Geschichten häufig von Zwergen, Gnomen, Schrazln, Walen oder Venedigern berichtet. So beschrieb der bekannte Sagensammler Schönwerth in der Zeitschrift „Die Oberpfalz“ in einer Ausgabe von 1909 die Tätigkeit von venezianischen Bergleuten am Stangenberg bei Pirk/Oberviechtach:

„Die Venediger: Warum die Leute den Schatz im Wildsteiner Schloßberg nicht mehr finden, hat einen Grund. Die Ventianer sind schuld daran. Sie waren ja in hiesiger Gegend. Barg der Schloßberg wirklich Schätze, dann haben sie diese gehoben, denn die hatten es ja recht bequem mit dem Schatz finden, sie zündeten einfach drei schwarze Kerzen an, sagten ihren Spruch, und Tür und Tor öffnete sich zu den verborgenen Schätzen. In der Nähe von Wildstein liegt der Stangenberg. Eine Waldabteilung darauf heißt „Silbergrube“. Der Name rührt von Venedigern her, denn diese gruben da droben nach Silber. Die Ausländer wurden von den Leuten gemieden, galten sie doch als Verbündete des Teufels. Kein Wunder, die schwarzen Kerzen waren zu verdächtig.“

Der in der Sage erwähnte Schatz vom Wildstein hat mit großer Wahrscheinlichkeit keinen realen Hintergrund, doch über die damalige Existenz der Venediger besteht kein Zweifel. Wer waren die Venediger, Venetianer oder Walen, von denen in zahlreichen Legenden berichtet wird? Die Walen (auch Walhen, Walsche) werden in den Werken über den Bergbau erwähnt, während die Venediger vor allem in der Volkssage nachleben. Eine Chronik aus dem 15.Jahrhundert spricht von „etlich kunstlich Walhen, die sich auf dem Gold verstunden und dasselbe schaiden kunnthen, nachdem die Teutschen mit solchen noch nit umb wisten zue geen“.

Häufig werden Walen und Venediger nicht voneinander unterschieden. Offensichtlich waren es im Bergbau erfahrene Männer, Prospektoren, die aus dem Süden kamen und über ein hervorragendes boden- und erzlagerstättenkundliches Wissen verfügten, um im 15. und 16.Jahrhundert die Gebirge auf der Suche nach Edelmetallen zu durchstreifen. Sie waren von kleiner Gestalt, was aus bergmännischer Sicht von großem Vorteil war, denn aufgrund ihrer geringen Körpergröße konnten die Abmessungen der vorzutreibenden Stollen oder Schächte kleiner gehalten werden. Der Stollenvortrieb war damals eine überaus mühsame Arbeit. Mit ihren einfachen Werkzeugen, die hauptsächlich aus Hammer und Meißel bestanden, war in dem anstehenden harten und zähen Gestein ein Streckenvortrieb von höchstens acht bis zehn Zentimeter pro Tag zu schaffen. Als Lichtquelle nutzten die Venediger untertage kleine Öllampen aus dunkler Keramik, die sie anzündeten, bevor sie in ihre Schächte einstiegen. Diese Öllampen könnten die einheimischen Leute für die geheimnisvollen, schwarzen Kerzen angesehen haben, die in mehreren Erzählungen und Sagen erwähnt werden. Wenn die Venediger in Gold- und Silberlagerstätten schürften, dann suchten sie nicht nach Gold und Silber, vielmehr schürften sie nach seltenen Mineralien, die häufig als Begleitminerale in solchen Lagerstätten vorkommen. Derartige Mineralien wurden in Manufakturen in Murano bei Venedig zur Glasveredelung benötigt.

Besonders begehrte Minerale waren z.B. Kobalt zum blau einfärben des Glases und Mangan als Zusatz zur Herstellung von klarem Glas. Sehr seltene Mineralien waren auch gefragt, um Gläser in besonderen Farben einzufärben. So kann durch den Zusatz geringer Mengen von bestimmten Uransalzen eine besondere Grün- oder Gelbfärbung der Gläser erreicht werden. Die Rezepturen zur Glaseinfärbung hat jeder Glasmacher als sein eigenes Geheimnis bewahrt. So geheimnisvoll wie die Venedigermandl im Mittelalter aufgetaucht sind, so sind sie nach etwa 300-jähriger Tätigkeit wieder verschwunden. Da diese oft im Verborgenen für die damaligen Menschen nicht nachvollziehbaren Grabungen nachgingen, schrieb man ihnen besondere Künste zu und stattete sie mit dämonischen Zügen aus. Hinter dem geheimnisvollen Arbeiten der Venediger verbergen sich aber handfeste, wirtschaftliche Aspekte aus dem Bergrecht: Eine bewusst falsche Behauptung, Gold zu suchen, verschaffte allen Kobalt und Mangan Sammelnden den Rechtsschutz, den der Edelmetallbergbau gewährte. Dieser war dem Landesherrn vom König als Regal gewährt. Während der Abbau niederer Metalle diesen Schutz nicht gewährte. Die Berghoheit stand danach den jeweiligen Grundherren zu- was erhebliche Auseinandersetzungen und Diskussionen ergeben hätte! An verschiedenen Stellen in unserer Gegend sind noch viele Bergbauspuren der Venediger als Beweis ihrer Existenz anzutreffen. So zum Beispiel der Venedigergang, ein alter Stollen bei Wölsendorf und das Güttingloch in Unterlangau östlich von Oberviechtach.



Anneli Meinelt-Möbius
Horst Meinelt: Fachwart für Geologie und Landschaftsschutz Zweigverein Schwandorf